Kommentar Westliche Staaten verurteilen das Ausspionieren von Handys. Dabei haben sie das Problem mitverursacht

Lukas Mäder

31.03.2023, 16.15 Uhr

Die USA und andere Länder wollen kommerzielle Spionagesoftware wie Pegasus strenger kontrollieren. Es ist höchste Zeit. Überwachungstechnologie wird nicht immer legal von Strafverfolgungsbehörden eingesetzt. Das kann eine Gefahr für Menschenrechte und Sicherheit sein.
Pavel Golovkin / AP

Dass kommerzielle Spionagesoftware gefährlich sein kann, wurde der Weltöffentlichkeit im Sommer 2021 bewusst. Damals machte eine internationale Recherche mehrere Fälle bekannt, in denen autoritäre Staaten die israelische Spyware Pegasus dazu verwendeten, Smartphones von oppositionellen Politikern, Menschenrechtsaktivisten oder Journalisten auszuspionieren. Ein Ziel der Überwachungen soll auch der französische Präsident Emmanuel Macron gewesen sein.

Die Enthüllungen setzten zwar den israelischen Hersteller von Pegasus, die NSO Group, unter Druck. Doch ernsthafte Bemühungen zur internationalen Regulierung kommerzieller Spionagesoftware blieben aus. Zu abhängig sind auch westliche Staaten von den Spyware-Anbietern: Ihre Strafverfolgungsbehörden verwenden diese Produkte, um Smartphones Verdächtiger zu überwachen.

Nun unternehmen die USA unter Präsident Biden einen Versuch, den Missbrauch dieser Technologien weltweit einzuschränken. Eine Gruppe von elf Staaten fordert, den Verkauf und Einsatz von Spyware stärker zu kontrollieren. Zu den Unterstützern der amerikanischen Initiative gehört auch die Schweiz, aber erstaunlicherweise nicht Deutschland.

Westliche Politiker waren das Ziel von Pegasus-Spyware

Die Erklärung vom Donnerstag ist ein wichtiger Schritt. Kommerzielle Spyware ist ein mächtiges Werkzeug, das die nationale Sicherheit und die Menschenrechte gefährden kann. Erstmals bekennt sich nun zumindest eine kleine Gruppe westlicher Staaten dazu, den Missbrauch dieser Software verhindern und den Export international kontrollieren zu wollen.

Erstaunlich ist jedoch, wie lange die Staaten für diesen rein symbolischen Schritt brauchten. Dass jemand die Spionagesoftware Pegasus dazu verwendet hatte, den Menschenrechtsaktivisten Ahmed Mansur aus den Emiraten auszuspionieren, hat die kanadische Forschungsgruppe Citizen Lab bereits 2016 im Detail dokumentiert. Auch in den Jahren danach wurden immer wieder Fälle von Missbrauch bekannt.

Die Menschenrechtsverletzungen dürften denn auch nicht den Ausschlag gegeben haben für die härtere Gangart, welche die USA nun einschlagen - indem sie den eigenen Behörden gar den Kauf solcher Spyware verbieten. Vielmehr wurden amerikanische Beamte und Diplomaten in mehreren Fällen selbst Opfer derartiger Spionageangriffen. Auch auf Mobilfunkgeräten britischer Beamter und französischer Minister wurden in den letzten Monaten Spuren von Pegasus gefunden.

Damit sind kommerzielle Spyware und ihre weltweite Verfügbarkeit zu einem Sicherheitsrisiko für zahlreiche Staaten geworden. Westliche Technologie - zum Beispiel aus Israel - richtet sich in den Händen der falschen Staaten plötzlich gegen westliche Länder. Eine bedrohliche Situation.

Zweifelhafte Firmen gibt es auch in den USA

Die Staaten, welche die Erklärung nun unterstützen, haben diese unerfreuliche Situation allerdings selbst mitverschuldet. Aus Ländern wie den USA, Grossbritannien oder Frankreich stammen mehrere Firmen, die Überwachungstechnologie herstellen - und diese auch undemokratischen Staaten anbieten oder verkaufen.

Eine schwedische Firma bewarb ihre Technologie zum Beispiel jahrelang in Russland und China. Die Software soll gegen politische Aktivisten in Hongkong und Myanmar eingesetzt worden sein.

Gleichzeitig setzen einige der elf Länder selbst Spionagesoftware von Firmen ein, welche in der Vergangenheit durch verantwortungsloses Geschäften aufgefallen sind. Die Schweiz setzt etwa auf Pegasus, Dänemark und Australien haben Technologie einer Partnerfirma der NSO Group eingekauft. Sie finanzieren damit eine Firma mit, welche zur gefährlichen Verbreitung von Spyware beiträgt.

Entscheidend sind deshalb nicht nette Worte. Viel wichtiger sind die konkreten Taten, welche die Länder der Erklärung folgen lassen. Die USA und ihre Partnerstaaten tun gut daran, das Problem der kommerziellen Überwachungssoftware rasch anzugehen und eine stärkere Regulierung voranzutreiben. Je länger die unkontrollierte Verbreitung andauert, desto grösser wird die Bedrohung.


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